Die Knochenmühle im Oktober

Oktober

Zur Weinlese an die Mosel? Grundgütiger, nein, zu viel Arbeit. Dann doch eher zum Weintrinken dorthin. Die Porta Nigra kalken und dann unsinnige Worte darauf schreiben. Ich werde langsam gemeingefährlich.

Ein Mund, geformt nach dem liegenden Buchstaben S. Zum Küssen ganz sicher ungeeignet und zum Sprechen schon mal gleich gar nicht. Überall und jederzeit präsente Schauspielerinnen machen auf diese Art und Weise ihre körperlichen Unzulänglichkeiten dauerunersprießlich.

Porta Nigra – da legst di nieda!
Nein das taugt nichts. Zur Einstimmung einen Eitelsbacher Kummersberg, einen strengen Kartäuser, verdrückt.
Vor lauter Grübeleien und Kummer eingenickt und noch leerer, dafür aber mit eingeschlafenem Arm wieder aufgewacht.

Sofett Pummelić za predsjednik!
Sollte eigentlich direkt am Eingang des spätrömisch dekadenten Bauwerkes prangen und prunken. In Neonbraun. Nicht schlecht die Idee. Nur, den schweinösen Irren kennt doch keine Sau außerhalb Triers.

Maria Krohn(sic!) (90) †

Seltsame Leute gesehen in Trier. Selbst die jüngsten unter den Männern dort scheinen dem Riesling, dem Elbling dem Müller von Thurgau gar, verfallen. Nebenbei für ’n Appel und ’n Ei den sogenannten Cola-Kracher probiert. Saurer Apfel mit Cola. Verrohung.

Sittliche Reife. Was für ein Mordstrumm von ewig unerfüllt bleiben müßender Hoffnung auf ein ordentliches Leben. Sittliche Reife. Hihi.

Kirsche, Körsche, Kürsche, bei dene dort drunten is eh scho alls glei. Da grausts di. Wurde als Batscheler und Dielebratschler angesprochen. Das sind bestimmt alles nur Komplimente, die Leute sind freundlich. So lange sie nüchtern sind.

Einziger Hinweis auf den Tankstellenräuber, der am Wochenende versucht hat Bier, Schnaps und Zigaretten, halt, keine Zigaretten, nur Bier und Schnaps, zu erbeuten: Er sprach den Woll-Dialekt.
Hat man das je gehört? Woll-Dialekt? Was, bitteschön, soll das denn sein? Die Meldung entstammt der lokalen Presse. Bindhof?

Mit Verspätung zum Vorstellungsgespräch. War nicht meine Schuld. Der Büromensch fand mich nicht so toll. Ich ihn auch nicht. War aber tapfer, weil ich noch nach Alkohol gestunken habe. Dann habe ich es gerochen, der hatte auch eine Fahne.

Die Firma für eine Verschönerung nach Ludgers Art vorgemerkt. Eine Lampenfabrik. Das sind alles keine Leuchten, die dort arbeiten. Aber woher denn.

Heute gestorben: Keine Ahnung. Zum Glück nicht ich. Vorerst in Ruhe weiterregieren.

Schweißgebadet aufgewacht. Karotten versuchten mich zu ermorden. Sellerie und Broccoli retteten mir das Leben. Wie kommt man zu solchen Träumen? Zu meiner Ärztin traue ich mich nicht.

Weitere wüste Träume, die ich aber nicht öffentlich ausbreiten möchte. Erkenntnis am Morgen: Ich bin ein perverses Dreckschwein.
Hurra!

Eine in Fels gehauene Weisheit: … Mir fällt nichts ein. Wie immer. Stattdessen einen Namen aus der Vergangenheit gefunden:
Andrea Rau.
Schon wieder.

Spät abends eine weitere unsolide Bekanntschaft gemacht, die mich wiederum daran erinnerte, dass wir alle sehr sterblich sind. Nadja Brennecke.
Mich sofort in den leicht schiefen Mund verliebt und mit unruhigem Schlaf zu kämpfen gehabt. Keine Möhren.
Brennecke Laufgeschoss. Geschoss. Das traf es.

„I was Kaiser Bill’s batman.“
Außer Ilse Werner habe ich nur Whistling Jack Smith als Pfeife und Pfeifenkopf- und Deckel anerkannt. Und das obwohl das Lied an und für sich ein ziemlicher Schrott ist.

China im Niedergang. Nur die Bevölkerungszahl bleibt stabil. Ich bin froh in Mittelscheidt mein karges Leben zu fristen. Nicht auszudenken, wenn auch ich noch ein Chineserer wäre. Man würde mich schief angucken, hier im abendländischen Kulturverweserland.

Panem et circensis. Keine Ahnung was das sein soll und den Fernseher eingeschaltet. Dazu Bier und Brez’n. Haushohe Überlegenheit stellt sich dann von selbst ein.

Mein Kopf, mein armer Kopf, ein weiterer kleiner Steinbruch der Ortsgeschichte. Ich bin zeitweilig zufrieden.

Von einem Nachbarn erfahren, dass es hier in Mittelscheidt praktisch hinter jeder Hecke Luftschutzbunker gibt. Mit ihm in einen hineingestiegen und über eine BILD der letzten Woche hinweggestiegen. Der Krieg ist also noch immer nicht vorüber.

Dass nachts die Ratten doch schlafen, hielt ich als Kind schon für weithergeholt. Aber im Deutschunterricht war man ja von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn man nach irgendeinem Bezug zur Wirklichkeit fragte.

Machu Picchu. Die Stadt in den Wolken kenne ich eigentlich nur durch Werner Herzog und dessen wunderbaren Krawallknüppel Klaus „Tollwut“ Kinski. Unvergessen dessen unglaublich schwindelerregende Vorstellung als Aguirre, der Zorn Gottes. Was habe ich gelacht.

„Spiel’ nicht mit den Mittelscheidtern!
Sing nicht ihre Lieder!“
Eine weitere geniale Beschriftung und Verbesserung eines Veranstaltungsplakates zum kulturellen Leben hier im Ort.
Der Biertempel heißt aus guten Gründen so.

„Attila der Hundemer“
Verschönerung eines CDU-Plakates des Spitzenkandidaten in Altenhundem. Ein krummer, mongolischer Hund mit ausgeklügeltem christlichen Gehabe und entsprechender Fratze.

Ming Dynastie? Ich kenne nur Schultenkämpers Siegfried. Und der war wirklich ein Monarch. Ein König unter den anderen großmäuligen Bauern.
Memo an mich: Lass die Leute da raus.

Sami Kastrati (56) †

Den Zettel über Siegfried in meiner Hosentasche gefunden und mich gefragt, was ich mir damit sagen wollte. Mich selbst beunruhige ich mit solchen Wurmseligkeiten immer noch am allermeisten. Rätselhafte Botschaften aus einem parallelen Leben.

Beim Friseur gesessen und über den Haarschnitt hinweg heftig eingenickt. Die Frau im Separee muss mich beobachtet haben. Sie lächelte vielsagend. Es ist so langweilig dort, dass man sich gegenseitig begaffen muss um überhaupt noch irgendeinen Spaß zu haben. Ich suche mir einen anderen Coiffeur. Einen leutseligen Schwätzer und Haarbändiger. Einen Dompteur.

Namen aus der Vergangenheit:
Marie Luise Steinbauer

Minijob, Schwarzarbeit und nebenher auch noch als Fußpflegerin über die Dörfer ziehen müssen und am Abend todmüde vor dem Fernseher einnicken. Am Ende eine Handvoll Erdnüsse und die Gewissheit, dass man sich selbst nicht mehr ernähren kann. Aber das Leben geht immer weiter. Tut es das?

Malgorzata Spychalski (45) †
Ist zumindest für mich gestorben.

Stattdessen ausgiebig nach einer Katarzyna Wojciechowska gesucht um sie zu heiraten und mit ihren dicken Haaren zu spielen. Bisher erfolglos. Memo an mich: Bleibe tapfer und unverdrossen. Polnisch lernen?

Auf der Straße Angelika Wiechmann gesehen. Als Jugendlicher hemmungslos verknallt und immer mit juckenden Fingern unterwegs, wenn ich sie sah. Wir blieben nicht stehen um miteinander zu sprechen. Auch die Finger juckten überhaupt nicht mehr. Ich schnaufte erleichtert durch. Sie wohl auch. Immerhin, zu einem verdrossenen Augenknibbeln meinerseits hat es dann doch gereicht.

Dem Holz beim Abbrennen im Ofen zugesehen und nach Stunden durch die Türklingel aus meinen Tagträumen gerissen worden. Der Schornsteinfeger. Was ein dreckiger Blödmann. Später dann das Wort „Verdreckung“ auf den einen Bus und „Vandalismus“ auf einen anderen gemalt.
Bin nicht stolz drauf.
Ein wenig schon.
Hähä.

„Suche Putze, zahle nichts!“ auf ein Wahlplakat der AfD geschrieben. Wahrscheinlich wirkungslos. Weil jeden Tag mindestens ein Idiot aufsteht.

Neue Lieblingswörter im Oktober:
Sinnlosigkeit, Grau, Acht, Sternchen, Schwulenhasser, Bröckeligkeit, Hubraum, Sterbezimmer, Gänseblümchen, Geräuschkulisse.

Im Nachhinein festgestellt, dass ich ein wichtiges Wort vergessen, übersehen haben muss aber es will mir nicht einfallen. Einfaltspinsel? Einfallspinsel. Einfaltspinchel (Fr. Stepanek?) Deckweich?

Der Versuchung widerstanden aus dem Baustellenschild „Vorsicht scharfe Kanten!“ ein „Vorsicht scharfe Tanten“ zu machen. Ich muss erneut verrückt, nicht zurechnungsfähig geworden sein.

Die Brünette, die Kokette beim nächsten Feiertermin wiedergesehen und sie machte einen adretten, flotten Eindruck. Der Griffelkönig war abwesend. Ich glaube, sie hat mich ebenfalls wahrgenommen. Könnte sie denn nicht im Café nebenan arbeiten, damit ich einen Grund hätte noch öfter dort rumzulungern? Ich wünsche es mir so sehr.

Eine Erkenntnis, die mich verunsichert: Frauen haben ganz andere Interessen. Als ich.

Neues Projekt: Die Bestie von Mittescheidt
Ein Film über Mörder, Huren und Gestaltenwandler. Und Fremdwohner vielleicht noch. Garantiert keine Raumschiffe und keine Mysterien. Mythen sind von vornherein komplett gestrichen. Brutale Gewalt, schonungslose Urgewalt, Gewaltgewalt und all das, was man als Kind gern gesehen hätte, aber nicht sehen durfte. Und Titten. Immer wieder Titten, Titten und nochmal Titten. Überall.
Eine Geschichte braucht man dann überhaupt nicht mehr.
Aber Gewalt und Gewalt in Gestalt von Gewalt.

Sämig im Achten und der Ausblick auf weitere Sensationen rauben mir fast den Verstand. Oktober, Oktober, mach’ doch keinen Zinnober, will es aus mir rausschreien aber das gäbe doch nur wieder Ärger mit den Flötenhengsten, die ich als Nachbarn habe.
Stattdessen immer wieder It’s all over now, Baby Blue gehört. Van Morrison ist schon ein ziemlicher Langweiler. Immer schon gewesen.

Festgestellt, dass die Legende, wonach Lieder durch wiederholtes Hören besser werden, nicht wahr ist. It’s all over now, Baby Blue werde ich nicht mehr hören. Auch Satisfaction nicht. Unbefriedigend.

Beschlossen niemals wieder Zwiebelheim zu besuchen. Die Zeit wird knapp. Und mal ganz davon abgesehen, so schön ist es dort doch auch nicht. Hinterher festgestellt, dass London auch ein ziemlich öder Flecken Erde ist. Chelsea. Irgendwas mit Kalk und so nennen asige Promis ihre Blagen.

Ich habe eine Hypothese aber ich kann sie nicht in Worte fassen. Das ist mein Problem. Immer habe ich die Lösung für die Probleme dieser Welt aber wenn es darauf ankommt fehlen mir die Worte.

Frustriert meine gesamten Einträge gelöscht und ganz von vorn angefangen. Die Brünette trägt einen Teil der Schuld dafür, weil ich der Meinung bin, dass es nicht gut genug war, bei ihr Eindruck zu schinden.

Zum Glück waren sämtliche Einträge in einem anderen Ordner gespeichert, so dass sie wieder hier zu lesen sind. Ich glücklicher Trottel. Die Brünette, Uta, wäre stolz auf mich.

Zum ersten Mal Sex mit Uta. Ohne ihr Wissen, ihre Anwesenheit. Sie war überrascht. Ganz sicher.

Ein überzogenes und im Grunde ja auch gar nicht zutreffendes „Sexmuffel!“ dem Pfaffen ins Maul gestopft und mir zufrieden auf dem Sofa Gott selbst gehuldigt. Ich wollte eigentlich Pfeife rauchen.

Schwierig bis unmöglich, der rasante Aufstieg in den Poetenhimmel. „Reim auf Reim, Reim auf Reim, das Gedichtchen wird bald fertig sein.“
Nebenbei Slampoetry im Fernsehen. Die können auch was. Leider können sie keine Selbstironie.

Auch der nächsten Versuchung noch widerstanden und unter Aufbringung all meiner Kraft den Pfarrer nicht an die Kirchentür genagelt, stattdessen seiner allgläubig offenherzigen Haushälterin nachgestellt und an dem Kruzifix vor ihrer Tür abgebogen und meinem Herrgott ein Dankesgebet gewidmet, dass auch dieses Rumpelstilzchen an mir vorübergegangen ist.

Erstaunt die Neuigkeit verarbeitet, dass die Haushälterin des Pfaffen auch noch einem weiteren Gottesmann zu Diensten ist. Sie hat kein gutes Risikoprofil. Ihr Problem.

Name aus der Vergangenheit:
Diana Rigg

Epitaph
So ein blöder Hund da

Mit mir selbst gehadert und anonym einen Strauß Blumen vor die Tür der Angehimmelten abgelegt. Mit Entsetzen registriert, dass sie aus der anderen Wohnung auf die Straße getreten ist. Noch versucht den Blumenstrauß zu retten, aber dann sah ich einen Mann mit dem Grünzeug und er sah irgendwie freudig und beinahe glücklich erregt aus. Immerhin. Der.

Mir vorgestellt, dass sich die schlanken Finger ihrer zierlichen Hand um mich klammern und dabei einen leichten Schauer über mich kommen lassen. Danach mit Nagellack gespielt.

Auch über diagonal gestreifte Krawatten gegrübelt und zu dem Schluss gekommen, dass es unwichtig ist. Hat mich einen halben Tag gekostet. Warum das?

Brauchtum als Siechtum identifiziert und damit keinen weiteren Blumentopf gewonnen. Sitte, Glaube, Heimat. Hoffnungslos. Hopfen und Malz verloren.

Frage am Ende der Einschlafphase: Wären die Brüste einer Frau mehr oder weniger ermüdend, wenn sie mehr oder weniger groß wären?
Das Bild der ehemaligen Schulkollegin vor Augen, die immer vornübergebeugt durch die Passage am Markt zur Schule ging und stets den Eindruck einer gepeitschten Sklavin erweckte.

Die lieben Kinder im Herbst:
Banane, Zitrone
An der Ecke steht ein Mann
Banane, Zitrone
Er lockt die Weiber an
Banane, Zitrone
Er nimmt sie mit nach Haus
Banane, Zitrone
Er zieht sie nackend aus
Banane, Zitrone
Er nimmt sie mit ins Bett
Banane, Zitrone
Er macht sie rund und fett

Muss ich kommentarlos stehen lassen. Mir erschließt sich hier rein gar nichts. Aber vielleicht einem Begabteren als mich.

Ein Fläschchen Goldener Oktober.
Hier und jetzt, das ließe diesen sterbenden Monat viel prunkvoller, güldener noch in den Dämmer des Vergessens gleiten lassen.

Im Bett mit Fernbedienung, Grattler Bier und Karin Dor. Keine besonderen Vorkommnisse. Der Hexer lässt grüßen.

Frage am Rande des alljährlichen Winnetou-Spektakels: Kannte Nscho-tschi eigentlich schon Federspielchen im Wigwam? Ich wusste schon immer, dass das Leben als Indianer besser war. Cowboys haben doch niemals solchen Spaß gehabt.
Indianerfrauen wohl noch weniger.

Der bislang letzte von dene Dodn dort:
Knochenbrecher und Osteopath
Tamme Hanken (56) †

Bei meiner Verwandtschaft angerufen und gefragt, wann sie denn gedenken mich anzurufen zwecks Gratulation zum Geburtstag. Geschworen völlig überrascht zu tun, wenn sie es denn täten. Ich war überrascht, als sie es dann wirklich taten.
Wirrnis und kobaltblaues Vergnügen.

Werner Lämmerhirt (67) †

Der November war diese Saison ein dürres Vergnügen. Hoffen wir also auf einen ausschweifenden Dezember.

Der perfekte Anfang für meinen Liebesroman:
Wider alle Vernunft und auf den allerersten Blick, schloss ich sie unverzüglich in mein Herz. Diese furchtbare Frau und es war mir noch gar nicht klar, obwohl es das hätte sein müssen, dass mir mein schönes Schicksal über den steinigen Weg zu den glänzenden Sternen zugelaufen war. zügig nahm ich sie in die Arme und versprach ihr den Frauenhimmel auf Erden: einen satten, gut bekochten Speckspecht, der nicht nur im Essen herumhacken konnte sondern auch noch in der …
Ab dieser Zeile fiel mir nichts mehr ein und so habe ich es gelassen. Schade eigentlich.

Nicht vollständig.

(c) LTB

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Life style.

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